Trumps Interesse an Grönland

Rund 80 Prozent von Grönland sind mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Doch die schwindet – und gibt womöglich Rohstoffe frei, auf die inzwischen auch US-Präsident Donald Trump ein Auge geworfen hat. Eine Reise zwischen Schlittenhunden und unendlicher Weite.

An manchen Tagen sieht das Land aus, als hätte es jemand in Watte verpackt. Wenn Nebel aufzieht in der Arktis, verblassen die Konturen, die spitzen Ecken, die harten Kanten, und alles löst sich auf: die bunten Holzhäuser von Ilulissat und die Hügel dahinter, die Boote im Hafen und die Stege. Und die Eisberge draußen auf dem Meer wirken dann für kurze Zeit so schemenhaft, als wären sie überhaupt nicht da, als hätte man sie sich bloß eingebildet.

In solchen Stunden verschwindet auch das gleißende Licht, das es sonst selbst in die hintersten Winkel schafft, sich hinter die Gläser der Sonnenbrille mogelt und zwischen die schmalen Ritzen der Fenstervorhänge im Hotel.

Sommer in Grönland sind hell, es wird niemals dunkel oder auch nur dämmrig. Statt zu versinken, holt die Sonne kurz vor dem Horizont erneut Schwung und geht wieder auf, ohne zuvor untergegangen zu sein. Wenn morgens aber Nebel aufzieht, verschwimmt die Sonne, und ein diffuser, orangefarbener Schimmer legt sich über das Land.

Grönland ist einer jener Orte, an denen man sich fühlt, als wäre man nicht mehr auf dieser Welt. Schon beim Anflug auf die größte Insel der Erde beschleicht einen ein merkwürdiges Gefühl, weil man unter sich bloß Eis sieht, eine Ewigkeit lang scheint das so zu gehen. Dort, wo das Eis aufhört, beginnt beinahe augenblicklich das Wasser, und das auf dem schmalen Streifen dazwischen: Das ist das Grönland, das bereist werden kann. Mehr als 80 Prozent der Landesfläche liegen unter einem gefrorenen Panzer, von dem es vor einigen Jahren noch hieß, er würde ewig währen. Platz für den Menschen ist lediglich an den Rändern. In Kangerlussuaq zum Beispiel.

Moschusochsen auf dem Golfplatz

Bis vor einigen Jahren war der Ort an der Westküste nicht viel mehr als eine Ansammlung von Häusern, Hallen und einem sandigen Golfplatz, den sich Spieler heute mit Moschusochsen teilen müssen. Mittlerweile aber hat sich in diesem Teil Grönlands eine touristische Infrastruktur entwickelt. Hotels und Hostels, Touranbieter und Taxifahrer bedienen nicht mehr nur betuchte Kreuzfahrtpassagiere, sondern auch „Lonely Planet“-Leser und Insta­gram-Influencer, die vor spektakulärer Kulisse mit Selfie-Sticks fuhrwerken und Handküsse Richtung Kameralinse werfen. Wenn man die Welt gesehen hat, bleibt einem immer noch Grönland, hieß es früher. Diese Zeit ist nun offenbar angebrochen.

Kangerlussuaq ist, wenn man so will, der Dreh- und Angelpunkt für Trips hinauf zur Diskobucht und nach Ilulissat, zum meistfotografierten Ort der Insel. Auf den ersten Blick wirkt die Siedlung mit ihren karmesinrot, minzgrün und senffarben gestrichenen Häusern so perfekt, als wäre sie nur als Fotokulisse auf die Felsen gesetzt worden.

Erst wenn man genauer hinsieht, entdeckt man ausrangierte Küchenherde, verrostete Motorschlitten und all den anderen Zivilisationsmüll, mit dem jeder Ort in der Abgeschiedenheit des hohen Nordens zu kämpfen hat. Es gibt ein Einkaufszentrum, ein Museum für den grönländisch-dänischen Polarforscher und Ethnologen Knud Rasmussen und einen Bolzplatz, auf dem Grönlands künftige Nationalspieler kicken.

Und überall stehen Hundehütten. Weil in Ilulissat fast so viele Schlittenhunde – 3500 – wie Menschen zu Hause sind – 4500 –, gehört unbedingt Ohropax ins Gepäck: In unregelmäßigen Abständen und auf erratische Auslöser hin legen die Tiere den Kopf in den Nacken. Ihr Geheul ist markerschütternd. Und dauert endlos an.

Berühmt ist Ilulissat aber vor allem für seine Eisberge. Sie kommen angetrieben wie Gebilde aus einem surrealistischen Gemälde. Manche sehen tatsächlich aus wie Berge, mit Zacken und Gipfeln, andere erinnern eher an mittelalterliche Burgen. Oder Fußballstadien. Oder Flugzeugträger. Man verbringt Stunden damit, zuzusehen, wie sie vorbeitreiben. Und selbst in Momenten, in denen man nicht auf sie achtet, tauchen sie immer wieder in den Augenwinkeln auf.

Natürlich muss man sie fotografieren. Alle, die man sieht. Und alle mehrmals. Wenn man die Aufnahmen später zu Hause Freunden zeigt, werden sie die eigene Begeisterung nicht ganz teilen können. Denn selbst die großartigsten Fotos ersetzen nicht das Gefühl, das man empfindet, wenn einer dieser weißen Riesen ein paar Hundert Meter vor einem auf dem Meer treibt.

Leben mit dem Klimawandel

Das Eis ernährt die Inuit von Ilulissat. Früher waren sie Jäger und in den langen Wintern Grönlands mit ihren Hundegespannen auf dem Eis unterwegs, um Robben zu erlegen. Seit das Wasser aber nur noch für wenige Wochen im Jahr zufriert, müssen viele sich ein anderes Auskommen suchen. Manche sind Fischer geworden und nun mit Kajak und Angel unterwegs statt mit Huskys und Waffen. Andere fahren Touristen zum Sightseeing hinaus an die Gletscherzunge im Eisfjord. Dort stoppen sie die Motoren, und wenn ihre Passagiere genügend Fotos gemacht haben, zeigen sie ihnen auf der Landkarte, wie weit sich der Gletscher in den vergangenen Jahren zurückgezogen hat. Auf dem Papier geht es bloß um wenige Zentimeter. In der Realität sind es Kilometer.

Kartoffeln und Erdbeeren

Nun haben die Grönländer schon immer das Beste aus ihrer Situation gemacht. So wie sie mit dem Eis gelebt haben, versuchen sie heute, sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Weiter südlich auf der Insel, wo ein Großteil der insgesamt nur 56000 Bewohner zu Hause ist, werden längst erfolgreich Kartoffeln angebaut. In den vergangenen Jahren kamen Tomaten, Sellerie, Gurken und Karotten hinzu. Selbst mit Erdbeeren wird experimentiert, und der Eisbergsalat gedeiht prächtig. Küchenchefs wie Casper Malcow (in Ilulissats Restaurant „Ulo“) oder Björn Johansson (aus dem „Sarfalik“ in der Hauptstadt Nuuk) kombinieren Heilbutt und Krabbe mit Petersilienwurzeln und Rentier mit Karottenpüree zu beeindruckenden Kreationen und haben sich damit einen weltweiten Ruf erkocht. Gut möglich, dass die nächste New Nordic Cuisine aus Grönland kommt.

Über all das kann man dann nachdenken, wenn man an seinem letzten Abend in einem weiten Bogen hinaus zum Eisfjord wandert, über Hügel, bedeckt mit dicken, weichen Moosen und Flechten. Auf der anderen Seite des Eisschildes, an Grönlands Ostküste, wäre so eine Wanderung lebensgefährlich, denn dort leben Eisbären. Hier im Westen der Insel aber gibt es sie nicht. Hin und wieder zetert eine Möwe irgendwo am Himmel, und manchmal hallt leise das Heulen der Huskys aus dem Ort herüber, ansonsten hört man: nichts. Nichts außer dem Wind, der von der Grönlandsee und dem Nordmeer kommt und der hier durch die Gräser fährt.

Ilulissats Eisfjord gehört zu jenen Landschaften auf dieser Welt, für die einem erst einmal die Worte fehlen. Der Fjord ist voller Eisberge, und quasi im Minutentakt kommen neue hinzu. Dann knirscht und grummelt es, man hört das Geräusch und weiß zuerst nicht, woher es kommt und wo man jetzt besser ganz schnell hinschauen sollte, aber die Orientierungslosigkeit dauert bloß einen oder zwei Augenblicke: Die Eiswände, die vom Ende des Gletschers abbrechen und ins Wasser fallen, sind nicht zu übersehen. Für einen Moment scheint es, als versänke das Gletscherstück. Dann taucht es auf und macht sich als Eisberg auf den Weg Richtung offenes Meer.

Mehr als 20 Millionen Tonnen Eis schwimmen jeden Tag vom Eisfjord aus Richtung Atlantik, schimmernd und glänzend, changierend zwischen gleißendem Weiß und transluzentem Hellblau. Auch der Eisberg, den die „Titanic“ damals rammte, kam wahrscheinlich von hier, von diesem Gletscher, aus diesem Fjord. Damals, vor gut hundert Jahren, symbolisierten die treibenden Eisriesen Angst und Schrecken.

Heute wecken sie bei vielen Menschen ganz andere Gefühle. Sie machen bewusst, wie fragil und zerbrechlich selbst die gewaltigste Natur ist. Vielleicht kommt man bei ihrem Anblick auch auf den Gedanken, dass unsere Gegenwart auf der Erde nur die Folge eines kosmischen Fehlgriffs sein kann. Dass wir eigentlich nicht für diese Welt vorgesehen waren, weil sie viel zu schön für uns ist. Und weit mehr, als wir verdienen.

Unterkünfte, Restaurants, Sehenswertes auf Grönland

Übernachten

Hotel Icefiord: Bei dieser Aussicht auf den Fjord kann einem das Interieur egal sein – man schaut eh meist aus dem Fenster. Und ist angenehm überrascht, wenn man sich dann doch mal umdreht. DZ ca. 275 Euro, Ilulissat, Jørgen Sverdrupip Aqq. 10, Tel. +299/94/4480, www.hotelicefiord.com

Hotel Kangerlussuaq: Wer hier seine erste Nacht in Grönland verbringt, ahnt, dass er keine hohen Erwartungen an die arktische Hotellerie haben sollte: Kangerlussuaqs erstes Haus am Platz erfüllt nur Motelstandards. Aber man ist ja nicht hier, um im Zimmer zu sitzen. DZ ca. 230 Euro, Kangerlussuaq, am Airport, Tel. +299/84/ 1180, www.hotel kangerlussuaq.gl

Hotel Hans Egede: großes Haus in Grönlands größter Stadt, sehr gutes Restaurant. DZ ca. 280 Euro, Nuuk, Aqqusinersuaq 1, Tel. +299/34/8000, www.hhe.gl

Essen und trinken

Ulo: Schon mal Moschusochsensteak probiert? In dieser Brasserie kann man es tun. Und gleich- zeitig beobachten, wie die Eisberge vorbeiziehen. Ilulissat, Mittarfimmut Aqqutaa B-1128, im Hotel Arctic, Tel. +299/94/7263, www.hotelarctic.com/de/brasserie-ulo

Roklubben: Das Restaurant sieht aus wie eine Baracke, im Sommer werden Tische und Bänke in den Hof gestellt. Die Kalorien kann man nach dem Essen schnell wieder verbrennen: Das Ro­klubben liegt ein gutes Stück außerhalb von Kangerlussuaq. Lake Ferguson, Tel. +299/ 84/1996, www.aac.gl/restaurant roklubben

Sarfalik: Ob Rentier, Heilbutt oder Forelle – auch hier kommt so gut wie alles aus der Region. Gilt als bestes Restaurant in Grönlands Hauptstadt. Nuuk, Aqqusinersuaq 1, im Hotel Hans Egede, Tel. +299/34/8000, www.uk.hhe.gl/ restaurant-sarfalik

Erleben

Tour im Eisfjord: muss man unbedingt machen. Vielleicht sogar zweimal. Oder dreimal. Den Anblick der Eisberge um einen herum wird man niemals mehr vergessen. Buchbar zum Beispiel bei Ilulissat Tours, Tel. +299/55/3696, www.ilulissattours.com

Nuuk Water Taxi: Mit der „Ice Force 1“ lassen sich nicht nur die Gewässer rund um Nuuk erkunden. Das Unternehmen bietet auch Angeltouren und Wanderungen an. Nuuk, Hans Egedesvej 29, Tel. +299/5456 90, www.watertaxi.gl

Moschusochsen- Safari: Lokale Guides finden die großen Zottel meistens in der Nähe der Siedlung. Und mit etwas Glück auch noch Rentiere. Buchbar bei www. arctic-adventure.dk

Knud-Rasmussen- Museum: Die Ausstellung widmet sich nicht nur dem berühmten Polarforscher, der in diesem Haus aufwuchs, sondern auch der regionalen Siedlungsgeschichte. Ilulissat, Nuisariannguaq 9, Tel. +299/94/7662

Quelle: Stern.de


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